Oft werde ich von meinen Zeichenschülern oder Stream-Teilnehmern gefragt:
„Wie zeichne ich Körper?“
Und ich habe darauf keine schnelle Antwort.
Ich stocke erstmal und stottere etwas.
Weil mir soviel durch den Kopf geht was ich antworten könnte XD
Körperzeichnen ist eines der komplexesten Themen im Zeichnen.
Denn Körper bestehen aus so vielen Bestandteilen.

Da sind die Muskeln, das Skelett, die Gelenke, die Perspektive, die unterschiedlichen Körpertypen, die Kleidung, Licht, Schatten und vieles mehr.
Und all diese Dinge greifen gleichzeitig ineinander.
Ich schreibe mal in diesem Blog-Eintrag zusammen was mir durch den Kopf geht.
Wenn mir Teilnehmer eine Zeichnung eines Charakters in einer Ganzkörper-Ansicht schicken – vor allem, wenn auch noch Perspektive im Spiel ist – dann gehe ich beim Korrigieren immer strukturiert vor.
Nicht alles auf einmal.
Sondern Schritt für Schritt.
Als Erstes frage ich mich:
Könnte diese Figur so stehen oder sich so bewegen, ohne umzufallen?
Hier geht es nicht um Muskeln oder Details.
Sondern um das Fundament der Pose. Wenn die Grundpose nicht stimmt, bringt das stundenlange Ausschraffieren und die tollen Muskelzeichnungen nichts.
Ich möchte dir Zeit ersparen!
Hier ist der Tipp:
Oft wird von der "Line of Action" gesprochen. Einer Linie, die durch den ganzen Körper geht und der Pose Dynamik und Lebendigkeit verleiht.

Diese übt sich am besten mit schnell gezeichneten Posenübungen.
Wenn du nur wenige Sekunden hast um einen Körper zu erfassen und zu zeichnen. Dann hast du keine Zeit an Schatten und Anatomie zu denken. Dann bist du gezwungen die reine Pose und deren Dynamik zu sehen.
Übe schnelle Körperzeichnungen. Ob im Internet oder draussen wenn du Menschen skizzierst. Wichtig dabei ist es dir einen Timer zu stellen und sich nicht in den Details verlieren.
Und wenn du ein gutes Gefühl für Posen hast, dann macht es viiiiiel mehr Spaß diese Posen auszuarbeiten. Denn deine Zeichnung steht dann auf einem guten Fundament.
Danach schaue ich mir an:
Sind die Proportionen perspektivisch korrekt gezeichnet?

Und zwar vom Zehennagel bis zum Haarschopf!
Was ist die Hauptperspektive dieser Zeichnung?
Ich muss dafür nicht sofort einen Horizont oder Fluchtpunkte einzeichnen.
Ein Lineal zum Abmessen ist hier meist schon zu viel.
Aber:
Grundlagenwissen im Perspektive-Zeichnen ist enorm wichtig.
Um sich zur Hilfe ein paar Hilfslinien zu skizzieren.
Was bedeutet Ein-Punkt-, Zwei-Punkt- oder Drei-Punkt-Perspektive?
Wie zeichne ich einfache Formen in diesen Perspektiven?
Ohne dieses Wissen ist es praktisch unmöglich,
hochkomplexe Körper in Perspektive zu zeichnen.
Meine zwei Tipps, um diesen Bereich zu üben:
1. Zeichne Umgebungen in Perspektive.
Oder noch einfacher:
erst einmal nur Boxen und z.B. Minecraft-Charaktere in Perspektive.
Verstehe Perspektive von einfachen Objekten.
Erst danach solltest du dich an das Organische wagen –
also an komplexem Körperzeichnen in Perspektive.
2. Zeichne Körper zunächst ohne Perspektive
in den drei Standard-Ansichten:
von vorne, von der Seite und von hinten.

Das ist schon schwer genug.
Wenn du mit diesen Ansichten vertraut bist
und zusätzlich die Übungen zu dynamischen Posen gemacht hast,
dann gehe dazu über,
aktionreiche Charaktere in Perspektive zu zeichnen.
Dann frage ich mich:
Welche Idee oder welche Vorzeichnung war die Basis für diesen Charakter?
Und sind diese Ideen visuell richtig umgesetzt worden?
Ein massiger Charakter mit kleinem Kopf?
Ein kindlicher Charakter mit großem Kopf?
Alle Körper unterliegen ähnlichen Gesetzen.
Doch es gibt deutliche Unterschiede in den Bewegungen –
je nachdem, welcher Charakter es ist.
Und nicht nur in den Bewegungen,
sondern natürlich auch in den Proportionen.

Erst dadurch entstehen einzigartige Charaktere.
In Anime, Games und Film werden deshalb Charakter-Sheets erstellt, um die genauen Proportionen und markanten Eigenschaften eines Charakters festzulegen. Alle in der Produktion orientieren sich daran.
Jetzt – erst jetzt – kommt die Anatomie.

Anatomie ist wichtig. Keine Frage.
Aber sie ist nicht der Startpunkt, sondern eine Verfeinerung.
Ein Punkt, den viele missverstehen, die denken, wenn sie Kleidung zeichnen, dann müssen sie sich nicht mehr um den Körper Gedanken machen.
Die Kleidung ist die Erweiterung des Körpers!
Falten entstehen nicht zufällig.
Sie entstehen durch Spannung, Schwerkraft und Bewegung.
Mein Tipp:
Zeichne stets einen Köper und die Kleidung darüber. Auch wenn du den Körper später wegradierst. Der zustäzliche Aufwand ist eines uper Übung und wird deine Zeichnung ungemein verbessern.
Je nach deinem Skill-Level, zeichne entweder eine vereinfachte Konstruktion eines Körpers oder auch schon eine Körperzeichnung mit Muskeln.
Dann schaue ich:
Passt die Schattierung?
Schatten können eine Figur richtig cool wirken lassen –
oder sie unförmig erscheinen lassen.

Mein Tipp:
Übe Schattierung erstmal an einfachen Objekten wie Quadern, Zylindern, Kreisen usw.
Und bedenke: Schattierung braucht viel Übung und Schattierung ist viiiiiel Wichtiger als Farbe. Wenn du Farbe aufträgst, dann besteht diese aus einem Tonwert und einem Farbwert. Der Tonwert ist die Schattierung. Den richtigen Tonwert zu treffen ist um ein vielfaches schwieriger als den Farbwert zu erwischen.
Zum Schluss die Farbe und Lichteffekte.

Farbe der Spaß am Ende. Zu Farbe gibt es eigentich garnicht sooo viel Theorie und Tricks. Das schwierige ist wie gesagt der Tonwert. Also wie dunkel bzw. hell eine Farbe ist. Aber der Farbton selbst ist oft ziemlich variabel und total gefühlsabhängig vom Künstler.
Tipps:
1. Verwende mehr Farbe! Nicht einfach nur einen Farbton für z.B. Haare. Wenn die Haare z.B. rot sind, dann verwende unterschiedliche Rottöne für die Haare.
2. Verwende im Schatten z.B. etwas Violett und im Licht etwas Gelb. Das ist ein Farbkontrast! Dadurch fängt deine Zeichnung zu leuchten an und deine Charaktere wirken lebendiger.
Man sucht gerne nach einer einfachen Lösung, einer Orientierung an der man sich hangeln kann, damit die Körperzeichnungen endlich klappen.
Also schaut man sich Konstruktionsmethoden an.
Und dann noch mehr.
Und noch komplexere.
Am Ende konstruiert man eine Stunde lang,
hat eine extrem steife Figur
und eigentlich schon keine Kraft und keine Lust mehr.
Deshalb:
Konstruktion immer mit Vorsicht benutzen.
Viel ohne konstruieren üben!
Je freier du bleibst, desto lebendiger werden deine Figuren.
Lerne konstruieren, aber versteife dich nicht darauf.
Wenn ich Konstruktionen zum Erklären nutze, dann verwende ich meist unterschiedliche, je nach Charakter den ich zeichne.

Meine allerliebste Übung sind Posen zeichnen nach Videos und Fotos.

Das Entscheidende daran:
Die kurzen Posen sind am wichtigsten!
10–15 Sekunden.
Warum?
Weil du keine Zeit für Anatomie hast.
Keine Zeit für Details.
Keine Zeit zum Grübeln.
Du zeichnest nur:
Und genau das ist das Fundament jeder Körperzeichnung.
Nicht die Muskeln.
Nicht die Details.
Sondern dass die Figur steht oder sich bewegt,
ohne zu kippen.
Ohne steif zu wirken.
Die langen 5–10-Minuten-Posen am Ende sind nett –
aber nicht entscheidend.
Denn lange zeichnen kannst du auch von Fotos.
Die kurzen Posen trainieren das,
was man nicht durch Nachdenken lernt.
Nebenbei: Ich habe auch eine weile lang Live-Zeichenkurse geleitet.
Nicht direkt Aktzeichnen, sondern Leute konnten kommen und Outfits mitbringen. Und unsere Zeichengruppe hat sie gezeichnet. War toll! Aber viel zu organisieren.
Mein Tipp:
Übe reale Personen zu zeichnen! Das wird dir ungemein helfen Manga und Anime zu zeichnen.

Unterschätze nicht den Aufwand und die Menge an Wissen, die man braucht, um einen "vereinfachten" Manga Körper zu zeichnen.
Denn das Wissen, das du brauchst,
um einen stimmigen simplen Körper zu zeichnen,
ist fast dasselbe wie bei einem voll ausgearbeiteten,
schattierten Körper.
Deshalb habe kein schlechtes Gefühl wenn eine Körperzeichnung bei dir nicht klappt.
Es braucht Zeit und es braucht Übung.
Wenn du magst, komm gerne zu meinen Online Zeichenkursen dazu in meiner Manga Zeichenschule und wir lernen alles Schritt für Schritt.
Ich wünsche dir viel kreative Freude!
Maxim ^^
P.S.: Paar Skribbles aus dem letzten Stream:
Was denkst du?