Was sind eigentlich Fehler? Fehler beim Porträtmalen mit Öl macht man normalerweise dann, wenn man Ergebnisse bekommt, die man so nicht haben wollte. Alles andere ist Geschmackssache. Dabei ist das Fehlermachen manchmal gar nicht so schlecht. Denn wir kennen alle die Redensart, dass man aus Fehlern lernt, und das trifft natürlich auch beim Malenlernen zu. Sie können uns also weiterbringen. Manchmal passieren sogar äußerst glückliche Fehler: Wir bekommen etwas, das wir zwar nicht eingeplant hatten, das wir letztendlich aber richtig klasse finden und auf das wir gar nicht gekommen wären, wäre es nicht zufällig passiert. Hab also keine Angst vor Fehlern – sie sind nicht immer schlecht! Sieh die folgenden Fehlerwarnungen daher eher als Empfehlungen an, die ich dir aufgrund meiner langjährigen Praxiserfahrung geben kann.
Wer das erste Mal Ölfarben einkauft, steht oft vor einer riesengroßen Auswahl an verschiedenen Farbtönen, schaut dann auf die Preise, die auf den jeweiligen Schildchen stehen, und ist schnell überfordert oder sogar entmutigt. Dabei ist es ein Trugschluss zu glauben, dass man möglichst viele verschiedene Farbtöne braucht. Das Gegenteil ist der Fall! Das Malen mit Ölfarben zu erlernen, bedeutet vor allem auch, das Mischen von Farbtönen zu erlernen. Es gibt wunderbare, bunte Ölporträts (im Gegensatz zu monochromen), die nur mit drei verschiedenen Farbtönen plus Weiß entstanden sind. Man nennt diese Vorgehensweise, eine reduzierte Palette benutzen. Die meisten Künstler*innen verwenden aber eine Basispalette von vielleicht 5-10 Grundfarben. Auf jeden Fall empfehle ich dir, mit wenigen Farbtönen (= Farbtuben, wie du sie im Handel kaufen kannst) zu beginnen und lieber Wert auf gute Qualität zu legen. Die Eigenschaften der wenigen einzelnen Töne solltest du eine Weile lang gut kennen lernen, bevor du weitere nach und nach dazunimmst (oder auch nicht). Das schont nicht nur dein Budget, sondern es hilft dir am Anfang auch, das Mischen besser zu erlernen. Leider gibt es nicht die eine empfehlenswerte Palette, die ich dir deswegen hier empfehlen möchte. Dazu ist zum einen die Auswahl der Farbtöne viel zu umfangreich und zum anderen hat jede Künstlerin und jeder Künstler ihre oder seine persönlich bevorzugte Zusammenstellung. Vielleicht kannst du in einem Anfängerkurs zunächst die dort vorgegebene Palette benutzen. Oder du kaufst dir ein Anleitungsbuch und übernimmst den Vorschlag darin. Oder du suchst dir auf Instagram oder YouTube deine*n Lieblingskünstler*in aus und orientierst dich an ihr oder ihm.
Quasi das Gegenteil von Fehler 1 ist genausowenig empfehlenswert: nur die wenigen Farbtöne aus deinen Tuben, die du gekauft hast, nebeneinander zu malen, ohne neue Farbtöne zu mischen. Wir denken oft in Klischees und malen „weiße“ oder „schwarze“ Gesichter und sehen dabei nicht, wie unzählig viele Farbtöne und Farbnuancen unsere Haut hat. Für mich war es vor vielen Jahren als Anfängerin ein Schlüsselerlebnis, dass Grün und Lila Farbtöne sind, die auch im Gesicht vorkommen. Auch fällt das Licht ja immer wieder anders auf die Figur und es gibt vielleicht manchmal einen eher kühlen Schimmer auf der Haut oder manchmal einen eher goldigen. Wer das Mischen erlernt, kann auch mit wenigen Farbtönen wunderbar vielfältige, farbliche Akzente setzen. Vor allem aber solltest du dir beim Porträtmalen mit Öl viel Zeit fürs Hinschauen nehmen. Je mehr du dich auf die Details einlässt, desto mehr wirst du entdecken. Ein kleiner Tipp am Rande: Viele Anfänger*innen sehen erst später, dass der Augapfel fast gar nicht weiß ist.
Für Anfänger*innen sieht der Farbton „Hautfarbe“ sehr verlockend aus. Aber ich rate entschieden davon ab. Der Farton „Hautfarbe“ ist eine Illusion. Denn es gibt den einen Hautton, der für alle passt, nicht. Auch dann nicht, wenn du andere Farben damit vermischt.
Kaufe für das Malen von Porträts kein Schwarz! Schwarz hat die Eigenschaft, alle anderen Farben beim Mischen eher schmutzig aussehen zu lassen. So ist schnell etwas auf der Leinwand passiert, was du wirklich nicht wolltest, und du gibst das Weitermalen des Bildes vielleicht vorzeitig auf. Es ist stattdessen möglich, durch Mischen anderer Farbtöne sowohl graue als auch schwarze Farbtöne zu erzeugen. (Du brauchst daher auch für andere Sujets als Porträts nicht unbedingt Schwarz.)
Dieser Fehler ist nicht im engen Sinne ein Fehler, sondern eine Empfehlung: Kaufe keine Farbtuben mit Erdtönen für das Malen von Porträts oder verwende diese nur äußerst sparsam. Wenn du dich in Mischtechniken einarbeitest, wirst du feststellen, dass du auch Erdfarben wunderbar mit anderen Farbtönen erzeugen kannst. Teste zum Beispiel einmal ein Kadmiumorange mit einem Ultramarinblau! Das Ergebnis ist ein warmes Braun. Manche Künstler*innen möchten auf bestimmte Erdtöne, zum Beispiel Lichter Ocker, nicht verzichten. Aber du brauchst sie wirklich nicht unbedingt. Du kannst so zum einen dein Budget schonen. Zum anderen ermöglicht dir der Verzicht auf Erdfarben und die Reduzierung deiner Palette auf wenige andere Farbtöne ein reineres Ergebnis beim Mischen von Farben und wenige Verschmutzungen. Verwende reine Erdfarben daher am besten, wenn nötig, nur für zum Beispiel späteres Akzentuieren und Lasieren bestimmter Partien.
Diesen Fehler machen nicht nur Ölmaler*innen. Aber er ist so unglaublich wichtig beim realistischen Porträtieren, dass ich ihn hier unbedingt erwähnen möchte. Du musst dir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es im unserem Gesicht keinerlei Linien gibt! Alles besteht aus großen oder auch winzig kleinen Rundungen. Stelle dir beim Malen einfach vor, dass du das Gesicht in 3-D mit den Händen formen würdest, das hilft dir, Linien zu vermeiden. Übergänge von einer Partie zur nächsten sind nicht durch abgrenzende Linien gekennzeichnet, sondern gehen sacht ineinander über, sind also fließend.
Ich persönlich liebe Ölfarben! Sie sind so unglaublich vielfältig und bei der Beschäftigung mit verschiedenen großen Künstler*innen entdecke ich immer wieder Neues. Wichtig ist, dass man sich zu Beginn eine gute Basis verschafft, bevor man anfängt zu experimentieren. Geduld am Anfang zahlt sich auf lange Sicht bei der Ölmalerei auf jeden Fall aus.
© Seona Sommer | Atelier SommerKunst & SommerKunstBlog, 2020
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